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AG Ingenieurökologie - 08.04.2025 | Eine Megacity in grün? Erfahrungen aus Ho-Chi-Minh-Stadt

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08.04.2025 | Eine Megacity in grün? Erfahrungen aus Ho-Chi-Minh-Stadt

08.04.2025 | Eine Megacity in grün? Erfahrungen aus Ho-Chi-Minh-Stadt

Was lässt sich über das Gründachpotenzial der vietnamesischen Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt derzeit sagen? Wie lebt es sich als Austauschstudentin in der 10-Millionen-Stadt? Wir haben Natascha Wegat, Studentin des Masterstudiengangs Wasserwirtschaft, zur Halbzeit ihres dreimonatigen Praktikums an der Industriellen Universität in Ho-Chi-Minh-Stadt interviewt.

 

Interview von Conrad Dorer (Hochschule Magdeburg-Stendal, AG Ingenieurökologie) mit Natascha Wegat am 8.4.2025 in Ho-Chi-Minh-Stadt

Ich freue mich mit Natascha Wegat zu sprechen, Austauschstudentin für drei Monate an der Industriellen Universität in Ho-Chi-Minh-Stadt ... Wie hat dich dein Weg nach Vietnam verschlagen?

Ich komme ursprünglich aus Brandenburg und bin in Werder (Havel) und Potsdam aufgewachsen. An der Berliner Hochschule für Technik habe ich meinen Bachelor im Studiengang „Umweltingenieurwesen-Bau“ absolviert und bin anschließend an die Hochschule Magdeburg-Stendal gewechselt, um im Master Wasserwirtschaft zu studieren.

Ich hatte schon immer das Interesse gehabt, ins Ausland zu gehen. Während des Bachelorstudiums war das durch Corona leider nicht möglich. Daher habe ich mich dann an der Hochschule in Magdeburg informiert, und mir wurde vorgeschlagen, meine Dozentin Prof. Dr. Petra Schneider zu kontaktieren.

„Ja, hättest du Interesse an Vietnam?“

Und Frau Schneider hat mir kurz erklärt, dass es mit der Industriellen Universität in Ho-Chi-Minh-Stadt eine gute Partnerschaft besteht und es auch schon einige Projekte gab. Da habe ich geantwortet: „Warum nicht?“.

Und jetzt bin ich hier.

Konntest du dein Projektthema frei wählen? Wie seid ihr auf das Thema Gründachpotenziale in Ho-Chi-Minh-Stadt gekommen?

Ich glaube, es hat beidseitig gut gepasst. Da ich mich für Regenwassermanagement interessiere, ist das Thema Gründächer natürlich super. Prof. Dr. Petra Schneider mir dann ein bisschen erzählt, dass es von Interesse wäre, erst mal zu schauen, was der Stand für grüne Dächer in Ho-Chi-Minh-Stadt ist. Ob es überhaupt schon begrünte Dächer gibt. Es gibt sehr viele Häuser auf ganz engem Raum und dadurch auch viele Dachflächen. Das heißt, das Potenzial reichlich vorhanden sein müsste und die Frage ist, ob sich dieses quantifizieren lässt bzw. zu schauen, wie es weitergehen kann, was möglich Optionen wären.

Hattest Du vorher schon Informationen und Materialen zu urbaner grüner Infrastruktur in Vietnam bzw. Ho-Chi-Minh-Stadt gehabt? Gab es hierzu Untersuchungen? Mit welchem Vorwissen und Erwartungen bist Du an Dein Projektthema rangegangen? Und was hast Du dann vorgefunden?

Ich wusste, dass es ein ähnliches Projekt schon in Magdeburg schon gab – Recycle Bionet. Ein Freund hat im Rahmen dieses Projektes seine Masterarbeit geschrieben zum Thema Gründachpotenzial und Biotopvernetzungsmöglichkeiten in Magdeburg. Ich wusste also etwas über dieses Projekt und hatte mich selbst in einer vorherigen Tätigkeit bereits mit Gründachpotenzialen in Berlin beschäftigt. Speziell zu Ho-Cho-Minh-Stadt hatte ich jedoch keinerlei Materialien und damit Vorwissen. Mir war bewusst, dass die vorhandene Datengrundlage im besten Fall nur marginal ist. Daher bestand auch mein Interesse an dem Projekt, mit einer Datengrundlage zu beginnen. Sprich: Recherchen. Schauen, was an Daten frei verfügbar ist. Was man nutzen kann. Ob es vielleicht auch schon ähnliche Projekte gab oder gibt, auf denen aufgebaut werden kann, was die Datengrundlage angeht. Ich war da sehr offen, bevor ich hierherkam. Und allgemein gibt es viele frei verfügbare Daten - leider jedoch nicht für Vietnam. Der Google Research Server, das amerikanische Militär, aber auch Forschungsgruppen haben sehr viele Informationen online gestellt. Sobald ich dann Vietnam als Begrenzung eingab, schrumpfte allerdings die Datengrundlage.

Das, was jetzt nicht verfügbar ist, versuchen wir gerade über Kontakte und Behörden hier vor Ort zu organisieren, so dass ich und später andere damit weiterarbeiten können.

Wie kann ich mir deinen Alltag in Vietnam vorstellen? Du bist ja für dein eigenes Projekt hierhergekommen und hast wahrscheinlich hier keine Kurse, die du besuchst.

Ich besuche tatsächlich einen Kurs. Freitags, den Sprachkurs. Ansonsten bin ich zeitlich sehr flexibel. Ich manage meinen Tag alleine. Teilweise arbeite ich auch in meinem Zimmer oder ich gehe mit Freunden in Cafés, und bin dann von morgens bis nachmittags oder abends dort mit Recherchearbeit beschäftigt. Das WLAN muss allerdings gut sein und der Kaffee auch und dann lässt sich es sich ganz gut arbeiten.

Der Kaffee sollte nicht das Problem sein ...

Definitiv nicht. WLAN ist manchmal schwierig. Neben Cà Phê Sữa - das ist die vietnamesische Art des Kaffees mit Kondensmilch - habe ich auch Matcha entdeckt. Matcha Latte und Matcha Smoothie. Damit lässt es sich auf jeden Fall arbeiten.

Wie bist du hier untergekommen?

Ich wohne im Studentenwohnheim und teile mir das Zimmer mit einer Mitbewohnerin aus Taiwan. Die Taiwanesen sind meistens hier, weil sie Vietnamesisch als Hauptfach haben. Sie kann ein bisschen Englisch, aber sobald es kompliziertere Sätze sind, nutzen wir dann doch Google Translate. Aber man merkt auch, dass durch das Zusammenleben das Verständnis auch besser wird.

Noch mal zurück zu den Gründächern: Wenn du mit deinem aktuellen Wissen Deutschland und Vietnam vergleichst, was fällt dir auf?

Ich merke, dass Deutschland deutlich weiter ist, was die Umsetzung der Gründächer angeht. In Ho-Chi-Minh-Stadt besteht aber im Universitätsumfeld ein großes Interesse an der Forschung als auch an der Umsetzung und Integrierung von Gründächern. Ob es strukturell einfach umsetzbar ist, kann ich noch nicht einschätzen, denn Gründächer bringen beispielsweise eine gewisse Last für die Häuser mit. Potenzial ist auf jeden Fall da. Auch in Kombination mit Solarpanelen. Gerade aufgrund der langen Sonnenstunden hier und dem guten Mix aus flachen und schrägen Dächern, würde sich das auf jeden Fall anbieten. Hierzu wäre wichtig die mehr zu den politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen in Vietnam zu wissen. In Deutschland gibt es zum Beispiel auch politische Anreize und teilweise auch Förderinstrumente, um Gründächer zu errichten. Und ich fand es sehr interessant, dass es für Privatleute auch Anlaufstellen für eine Beratung gibt – wie in Berlin.

Hast du irgendein Beispiel aus Ho-Chi-Minh-Stadt für ein beeindruckendes Gründach oder gar ein Lieblingsdach?

Ich habe noch gar kein so klassisches Gründach gesehen, weder intensiv noch extensiv. Es gibt aber ein Restaurant, das mich an das Magdeburger Hundertwasserhaus erinnert hat, mit Ansätzen von Fassadenbegrünung. Ich bin leider nur daran vorbeigefahren, möchte mir das aber gern nochmal näher anschauen. Ansonsten kann man sich als Begrünung hier vor allem größere Topfpflanzen vorstellen. Dazu werden oft Styropor-Kühlboxen genutzt. Wenn man hier die Straßen entlangfährt, sieht man einige Häuser, deren Balkone und Dachterassen schön mit Topfpflanzen eingerichtet sind.

Das ist quasi so ein bisschen Ersatz für unsere Blumenkästen.

Genau. Styroporboxen mit Bepflanzung.

Die Regenzeit beginnt ja bald mit täglichen Starkregenfällen. Weißt du, was das für ein Gründach in Ho-Chi-Minh-Stadt bedeutet?

Spontan würde mir einfallen, dass man nicht davon ausgehen kann, dass das gespeicherte Wasser, auch vollständig wieder verdunstet, weil die Zeit zwischen den Regenfällen wahrscheinlich viel zu kurz ist. Ich kann mir auch vorstellen, dass das zusätzliche Gewicht durch die Speicherung problematisch in einigen Häusern sein könnte – Staunässe als ein Stichpunkt. Das ist ein Unterschied zu uns. Es gibt zwar auch Starkregenereignisse, die zu Staunässe führen, aber das Wasser verdunstet dann über einen gewissen Zeitraum.

Was wäre für Dich ein zufriedenstellender Projektabschluss nach drei Monaten Untersuchungen?

Glücklich wäre ich, wenn ich sagen kann, ich kann eine gute grundlegende Idee überreichen, wie man mit dem Projekt fortfahren könnte. Dass ich beispielsweise sagen kann: „Es gibt ein Potenzial für 70% der Dächer allein von der Neigung gesehen. Die anderen 20% sind geeignet für solare Anwendungen und die restlichen 10% sind strukturell schwierig oder nicht groß genug.“ Ideen für ein weiterführendes Projekt wäre, zu gucken, wie sieht es von der Statik aus, wie sieht es aus von der wirklichen Beschaffenheit der Dächer aus, die in der ersten Analyse zur Begrünung geeignet wären.

Und durch Gespräche weiß ich, dass auf jeden Fall hier an der Universität Interesse besteht, da auch was Größeres draus zu machen. Gerade bei Gründächern gibt es viele Ansatzpunkte. Da ist sicherlich für jeden was dabei: Sei es die Wasserbilanz, die Verbesserung der Luftqualität, aber auch das Allgemeinbefinden der Bevölkerung - die Gründächer haben ja auch dafür eine positive Wirkung. Sicher lohnt es auch ganz allgemein auf urbane grüne Infrastruktur mehr zu schauen. Abgesehen von Parks, gibt es auch Straßenbegrünung oder Entsiegelungsmaßnahmen zur Begrünung. Zudem wächst die Stadt auch immer weiter. Ich glaube, da ist viel Potenzial, etwas Gutes zu tun.

Welche Unterstützung hast du für deinen Auslandsaufenthalt bekommen? Ich kann mir vorstellen, Vietnam ist da schon ein völlig neues Pflaster ...

Die erste gute Unterstützung hatte ich mit Petra Schneider, meiner Professorin, die mich erst mal auf diese Projektidee hingewiesen hat und den Kontakt hergestellt hat, und die mir auch Informationen gegeben hat, wen ich fragen kann, auf wen ich zukommen kann, um das Ganze von Deutschland aus zu managen. Hier in Ho-Chi-Minh-Stadt habe ich einen direkten Ansprechpartner mit Herrn Professor Anh an der Partneruniversität, der mir beispielsweise gerade behilflich ist, die benötigten Datensätze zu besorgen. Und dann gibt es hier auch andere internationale Studierende, bei denen man Anschluss finden kann und die Tipps für den Aufenthalt weitergeben. Ich hatte Glück, dass es schon eine Studentin aus Jena, die seit 1,5 Jahren hier ist, an meiner Seite hatte und die mir den Einstieg sehr erleichtert hat. Die deutsche und eine französische Austauschstudentin haben mich übrigens sogar vom Flughafen abgeholt. Auch von der Industriellen Universität gab es jemanden, den ich jederzeit ansprechen konnte. Und das International Department unserer Partneruniversität hatte zugesagt, dass sie mir die Unterkunft kostenlos stellen. Das heißt, auch über die Unterkunft musste ich mir keinen Kopf machen. Nur beim Visum musste ich beachten, dass man erst ein bestimmtes Dokument braucht.

Die berühmte Frage ganz zum Schluss: Würdest du jemand anderem von unserer Hochschule in Magdeburg-Stendal empfehlen, nach Ho-Chi-Minh-Stadt für ein Auslandssemester zu kommen?

Ganz klar ja. Allgemein würde jedem ich empfehlen, die Möglichkeit einer Auslandserfahrung zu nutzen – sei es Praktikum, Projekt oder auch „klassisches Studium“. Und hier in Vietnam: Das ist einfach was komplett anderes als zu Hause. Man lernt, mit neuen Situationen umzugehen. Man muss aber vor allem offen gegenüber dem Neuen sein und man muss auch jemand sein, der wirklich interessiert daran ist, neue Sachen kennenzulernen, zu probieren und auch mal Dinge auszuprobieren, die man sich vielleicht nicht so ganz traut, bei denen man nicht ganz sicher ist, ohne von Vorhinein nein zu sagen.

Vielen Dank, Natascha, für das Interview. Ich wünsche dir für deine restliche Halbzeit viel Erfolg und tolle persönliche Erfahrungen. Und vor allem toi, toi, toi, für die Daten!

 

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